4. Britta

„Heimat ist auch viel Vertrauen“.

Ursprünglich aus Kaiserslautern
Seit 47 Jahren in Mojácar

Heute führt mich mein Weg zu Britta. Ihr kleines, süßes Häuschen liegt an einem Hang und wieder einmal etwas versteckt. Um zu ihr zu gelangen, fahre ich ein gutes Stück am Strand entlang- da wo früher fast nur Tomantenbeete waren, wie ich später erfahren werde- biege in eine Straße ein und verfahre mich erstmal. Obwohl ich in Mojacar aufgewachsen bin und der Ort noch immer recht überschaubar ist, bin ich immer wieder erstaunt, an welch unerwartete Orte mich mein „Projekt“ doch manchmal bringt.

Nachdem ich endlich die richtige Hausnummer gefunden habe, werde ich freundlich von ihr und ihrem kleinen Wuschel namens Gus begrüßt. Wir setzen uns raus auf die Terrasse, wo an es diesem Januarnachmittag schon angenehmen warm ist und trinken grünen Tee.

Ich kenne Britta, seit ich ein kleines Mädchen war, weil sie für mich schon immer im legendären Tito´s arbeitete. Den ebenfalls legendären Curry-Hähnchen- Salat hat mein 8- jähriges Ich für immer mit dem immerzu netten Lächeln Brittas verknüpft.

Wenn in früheren Beiträgen das Tito´s bereits am Rande erwähnt wurde, so spielt es diesmal eine zentrale Schlüsselrolle. Mir war vorher nicht klar, wie sehr alle und alles mit diesem Ort verbunden waren und sind, sodass ich kurz mit dem Gedanken spiele, das Blog auf alle wege Tito´s umzutaufen.


So stellte sich zum Beispiel heraus, dass Brittas Mutter früher die Näherin für den Kleiderladen meiner Mutter war (1. Beitrag). Britta und meine Mama lernten sich allerdings erst in Mojácar kennen. Auch Mars Anfangsjahre waren von Tito geprägt, da dieser ihr erstes Haus organisierte (siehe 2. Beitrag) und sie zusammen mit Britta in der Beach Bar Tito´s kellnerte. Ich bin gespannt, welche kuriosen Überschneidungen mir noch über den Weg laufen!

Aber zurück zu Britta.

Brittas Entscheidung nach Mojácar zu gehen, kam relativ spontan nachdem sie von einer längeren Ungarnreuse zurück nach „Hause“ kam und ihr klar wurde, dass sie dort nicht weiter sein wollte. Ihre Begründung kommt mir bekannt vor: es war zu spießig, zu eng, zu konservativ, zu langweilig. Da kam ihr eine Bekannte in den Sinn, an einem Ort irgendwo in Südspanien hausierte und entschloss sich kurzerhand dorthin zu fahren. Gesagt, getan! Trampen war zu der Zeit eine gängige Art, zu reisen und so stand sie nach ein paar Tagen auf der Plaza Mayor in Mojácar Pueblo. „ Las alemanas“ waren schnell gefunden- ihre neues Zuhause auch.

Ihren ersten Job fand sie in der „Princess Bar“, unten am Strand wo sie ca. 200 Peseten und zwei Tapas für ihre Arbeit bekam. Da sie kein Auto hatte und Busse noch ein höchst unzuverlässiges Unterfangen, ging sie meist zu Fuß. Es war ein langer Weg, allerdings war dieser, wie bereits erwähnt- größtenteils mit Tomaten bepflanzt und so fehlte es ihr zumindest nie an genügend Wegproviant. Heute ist ihr früherer Arbeitsweg mit Apartments und Hotels zugebaut, an Tomaten ist nicht mehr zu denken.

Ihre Jobs wechselten von Zeit zu Zeit, mal war sie Babysitterin, mal Kellnerin, mal Putzfrau. Als sie für eine Weile im Restaurant „El Bigote“ arbeitete, lernte sie Tito kennen. Er war gerade dabei eine Beach Bar aufzumachen und suchte noch Personal. Sowohl die Person Tito als auch das Tito´s sollten daraufhin einen großen und wichtigen Teil in ihrem Leben einnehmen.

Das Tito´s wurde mit den Jahren zu einer der wichtigsten Kulturstätten Mojacars: Es war Beach Bar, Restaurant, Club und Treffpunkt zugleich. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich als kleines Mädchen öfters mal in einem improvisierten Bett aus Kissen und Decken im Auto „geparkt“ wurde, während meine Mutter im Tito´s einem Konzert lauschte und mit „den anderen“ einen guten Abend hatte. Sollte ich mal aufwachen, wanderte ich schnurstracks in die Bar, in deren Mitte eine riesige Palme wuchs und wurde schnell zu meiner Mutter gelotst, nicht ohne vorher noch hier und da geknutscht und gedrückt zu werden- man kannte sich ja.

Britta wurde nach einigen Jahren zur Managerin des Tito´s und ist von diesem einzigartigen Ort unmöglich wegzudenken.

Die Sonne auf Brittas Terrasse geht langsam unter. Wir machen eine kleine Pause, sie gießt mir noch ein wenig grünen Tee nach, dann geht sie ins Haus und kommt nach ein paar Minuten mit einem großen Fotoalbum wieder heraus. Ich klappe es vorsichtig auf und es ist als öffnete ich eine Tür in eine kleine, auf Fotos und Zeitungsauschnitten komprimierte Welt in sepia. Eine Welt, die so nie mehr sein wird und die für viele eine goldene, unvergessliche Ära symbolisiert.

Als Brittas Mama sie mal fragte, wann sie denn gedenke mal wieder nach Hause zu kommen, antwortete sie nur: „Mama, das hier ist mein Zuhause“. Daran hat sich auch in all den Jahren nichts mehr geändert.



7 Kommentare zu „4. Britta

  1. Liebe Lea, hier in Lübeck fällt Schnee… Ich träume mich nach Mojácar. Durch die Menschen, von denen Du erzählst wird es so lebendig! „Follow your star“, höre ich sie sagen. Macht dieser Blog auch etwas mit Dir?
    Musst Du natürlich nicht beantworten, schoß mir nur gerade durch den Kopf.
    Liebe Grüße in den Süden,
    Maren

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  2. Liebe Lea,
    das ist wirklich ein tolles Blog-Thema! Jedes Mal spannend, jedes Mal anders und doch irgendwie verbunden. Und jedes Mal träumen wir uns aus dem kalten Norden in den Süden.
    Muchas gracias, Kristin

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  3. Liebe Lea,
    ich verfolge gespannt und mit einem Lächeln im Gesicht deine Geschichten. Ich kann mir Mojácar durch deine beinahe beiläufigen Beschreibungen so gut vorstellen. Manchmal denke ich auch ganz kurz an Ronda in der Nähe von Málaga, aber dieser Ort liegt nicht am Meer. Warst du mal dort?
    Liebe Grüße,
    Carolin

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  4. Liebe Lea,
    ich bin gerade mit Google Maps und Bilder mal nach Mojácar »gereist«. SO SCHÖN! Dagegen kann Kaiserslautern auch nur verlieren… und Berlin doch irgendwie auch, oder?
    Mir gefallen die eingestreuten Details in deinem Blog sehr – sie bekam 200 Peseten und ZWEI TAPAS – herrlich! Als wir in unsere Wohnung nach Schöneberg zogen, war auf der »Plus-Seite« unserer Liste tatsächlich auch »Carlos Tapas« – für uns das beste spanische Restaurant in Berlin nur 100 Meter entfernt. Jackpot! 🙂
    Liebe Grüße, Lisa

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  5. Liebe Lea,
    was für eine schöne Geschichte! Ich kann mir das Tito’s irgendwie ziemlich gut vorstellen. Dein Artikel klingt aber auch ein bisschen danach, als gäbe es das jetzt nicht mehr. Schade irgendwie auch, dass da, wo Tomaten waren, nun lauter Hotels sind. Schön für die Wirtschaft, aber ich finde das auch immer voll schade für die Landschaft.
    Nichtsdestotrotz eine coole Geschichte, ich freue mich auf weitere!
    Liebe Grüße,
    Jasmin

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